Der Tod ist besser als sein Ruf

Beate Kohlmeyer|Allgemein|18. November 2017

Der Tod ist besser als sein Ruf-von einem gelassenen Umgang mit der Endlichkeit

Genauso lautet der Titel eines gerade neu erschienenen  Buches von Thomas Hohensee und Renate Georgy. 

Genauso ruft  es in mir nach einem gelassenen Umgang mit der Endlichkeit.  Eins ist ganz sicher: Dieser Titel kreuzt nicht zufällig meinen Weg.

Wie schon so oft zuvor in meinem Leben  begegnet mir  auch an dieser Stelle eine  hilfreiche Synchronizität: 

Während ich mich auf psychischer Ebene einem  gewissen Thema  widme, bekomme ich  in der Außenwelt prompt entsprechende  Anregungen  dazu geliefert.

Das Leben lädt mich dazu ein, den Tod mit in das Boot meines Bewusstseins zu nehmen.

Ich kann gar nicht daran vorbeischauen und -fühlen, denn je mehr Leben ich geschenkt bekomme, desto häufiger klopft der Tod an in meinem Leben.

Leben und Tod – das sind siamesische Zwillinge!

Untrennbar miteinander verbunden.

Es macht also wenig Sinn, mit ihm, dem Tod,  zu diskutieren oder ihn infrage zu stellen. Es macht ebenso wenig Sinn, ihn zu verdrängen, denn er ist groß und mächtig und drängt sich immer wieder ins Bewusstsein und erinnert mich, dass auch mein Leben endlich sein wird-todsicher!

Wie möchte ich meinem ständigen Wegbegleiter also begegnen?

Welche Gestalt hat er für mich, welche Gestalt gebe ich ihm?

Welche Botschaft möchte er mir übermitteln?

Kürzlich, bei der Beerdigung meines Cousins, fiel mir auf, welche Gewänder er zumeist trägt, weil wir sie ihm verleihen: 

Für viele ist er nichts als Kummernährboden, ungerechter Vollstrecker, der „Mannsbilder“ in  Häufchen von Asche verwandelt, der uns leiden lässt, Schmerzen bringt und uns zu guter Letzt  vernichtet.

„Das ist es also, was von uns übrig bleibt!“ hörte  ich einige Trauernde sagen…

..und während ich diesen Worten lauschte, fiel mir auf, wie  andersartig meine Vorstellungen, meine inneren Bilder zu dem Geschehen sind: 

Ich stellte mir vor, dass die Seele meines Cousins im Moment seines Todes ihre  Flügel weit spannte und über eine stille, zauberhafte Landschaft heimwärts flog…

Der Tod erinnert mich: Koste dein Leben aus – JETZT!

Diese Worte berührten mich tief innerlich und waren Balsam für meine Seele und mein Befinden.

Und ich nahm  ganz bewusst wahr, dass ich auch bei der Begegnung mit dem Tod Einfluss nehmen konnte auf die Art und Weise unseres Zusammentreffens. Ich mache mir die Überzeugung zu eigen,  dass alles, was geschieht, nach Gesetzmäßigkeiten vor sich geht, die größer sind als wir und bin bereit, einen persönlichen Sinn auch in diesem Geschehen anzunehmen. Dieser persönliche Sinn besteht für mich in der plakativen Einladung, mein Leben vollumfänglich zu leben, es förmlich zu inhalieren  und mich zu  fragen, wo ich noch tiefer und mutiger eintauchen möchte. Ich werde in diesem besonderen Moment der Trauer daran erinnert, mein Leben, diese Kostbarkeit, auszukosten – solange es dauert!

Der Tod hat also auch das Zeug, ein  wertvoller Wegweiser, Fragensteller, Fokusgeber, Er-innerer,ja, Er-löser zu sein.

Je nachdem, wie wir uns entscheiden, ihn  zu deuten.

Die Macht des Bewusstseins ist groß und wir haben die Freiheit, uns auch in schwierigen Situationen zu entscheiden, welche Überzeugungen wir uns zu eigen machen wollen. Gerade weil wir die Wahrheit nicht kennen,  weil kein Mensch -weder Psychologe noch Pfarrer oder Mediziner – je das Geheimnis  des Todes gelüftet hat, sind wir ganz frei, zu entscheiden, was wir über den Tod denken möchten. Und diese Entscheidung  macht einen großen Unterschied im Erleben…

Wieso fällt es uns dennoch  so schwer, eine gelassene Haltung zu finden?

Fest steht: Die materialistische Welt, in der wir leben, macht es  uns nicht eben leicht, eine wohltuende Haltung  der Gelassenheit zu finden-während wir an den Tod denken. Überzeugte Materialisten identifizieren sich rein mit ihrem Körper, was die Idee der totalen Vernichtung und Auslöschung füttert; demzufolge klammern sie sich an ihre Hülle. In den  Naturwissenschaften, die gegenwärtig noch das Monopol  auf die Deutung der Welt  haben – hat die spirituelle Dimension unseres Seins wenig Raum, weil es um empirische Nachweisbarkeit geht. Auch die Psychotherapie vernachlässigt selbige allzu oft. Umso wichtiger scheint es mir, dass jeder für sich auf Erkundungsreise geht und nach Konzepten sucht, die heilsam sind. Getreu des Mottos: Was hilft, hat Recht.

Mir tut es einfach gut, anzunehmen, dass ich mehr bin als rein körperliche Materie.

Und ich bin im festen Glauben, dass mir diese Überzeugung helfen wird, mich am Ende leichter zu lösen. Es ist also ganz maßgebend, welchem Konzept wir folgen. Nicht der Tod ist das Problem, sondern die Gedanken, die wir uns zu ihm machen.

Was andere Menschen über den Tod denken…

Sigmund Freud beispielsweise war überzeugt, dass es gerade die Beschränkung in der Möglichkeit des Genusses ist, die die Kostbarkeit des Lebens erhöht. Steve Jobs hielt den Tod für ein überaus intelligentes Konzept, die beste Erfindung des Lebens, den Katalysator des Wandels, der das Alte wegräumt, um Platz für Neues zu schaffen. Er hielt die Begrenzung der Zeit für die geeignete Erinnerung, sein Leben nicht zu verschwenden.

In meinem persönlichen Logbuch findet sich folgender Eintrag:

„Ich übe mich in gedanklicher Befreiung von der Erdenschwere.Um gelassen zu sein, müssen wir den Tod akzeptieren.Da wir alle – ohne Ausnahme- damit konfrontiert werden, ist es ratsam, sich diesem Thema zu stellen.

Der Tod als ständiger Begleiter, kann Geburtshelfer eines erfüllten, sinnvollen Lebens sein.In dem Wissen, einmalig, aber vorübergehend zu sein, liegt die Perle, das Beste aus dem Leben machen zu wollen, um am Ende in Frieden zu sterben.