Unsere Zukunft: Wie der wunde Punkt zum Wunder-punkt werden kann

Beate Kohlmeyer|Allgemein|19. Oktober 2019

Vor einigen Tagen bin ich Jakob begegnet. Dieses süße Geschöpf ist mein neuer Nachbar und er hat mich sehr zum Nachdenken über unser aller Zukunft gebracht.

 Gerade auf der Welt gelandet, lag er da so friedlich und geborgen in seinem Kinderwagen. Unsere Begegnung hat mich stark berührt. Um ehrlich zu sein, habe ich süße Tränen geweint, während ich auf ihn blickte, ohne genau zu wissen warum. 

Ich hieß ihn willkommen auf dieser verrückten Welt, und er ließ meinen Blick und mein Herz aufgehen. Das war ein magischer Moment für mich.

Wie wird Jakobs Zukunft aussehen?

In welcher Welt war er angekommen? 

War er in einem sicheren Hafen oder würde er auf das offene Meer hinaustreiben? 

Würde er zum Spielball der Geschichte oder hätte er Möglichkeiten, diese Welt ganz neu zu gestalten? 

Würde er, wie viele Generationen vor ihm, zum Objekt von Bewertungen, Hoffnungen und Wünschen oder würde es eine Revolution der Liebe geben, die ganz neue Maßstäbe der Lebensqualität in sein Leben bringt?

Etwas in mir spürte tief innerlich, dass es an mir liegen würde, wie die Antwort ausfällt! Was also werde ich Jakob sagen? Welche Antworten kann ich ihm geben?

Aus dem therapeutischen Prozess weiß ich, dass manisch optimistische Abwehr gegen die Realität auf Dauer keine Strategie der Problemlösung darstellt;  

vielmehr braucht es eine ungeschönte Bestandsaufnahme des wunden Punktes. Erst wenn ich meine Wunde an-erkenne, kann ich sie versorgen, um am Ende Heilung zu erfahren.

 Die Angst vor der Veränderung, die Heilung bringt, entsteht letztendlich aus dem Unwillen, eindeutig zu erkennen, dass Heilung nötig ist.

Ich will jetzt mutig sein für Jakob – damit Heilung möglich wird.

Der wunde Punkt

Heute also werde ich ihm sagen müssen, dass das Abendland, in das er geboren wurde, von Konsumspektakel und Wachstumswahn ausgebrannt ist. 

Dass Natur und Mensch in diesem Land kollabieren und erkranken, weil seelische Ressourcen stets den Gesetzen der Ökologie folgen. 

Und dass seine Eltern und Großeltern Schlafwandler waren, deren Werte- Kultur einer Warenkultur glich. 

Ich werde ihm erzählen, dass sie und ich die Welt wie ein Warenlager geplündert haben und unsere Idee einer Rund-um-die-Uhr-alles-ist-möglich-Gesellschaft 

Mensch und Planet verbraucht hat. 

Ich werde ihm sagen, dass die Maden im Speck nicht über ihren eigenen Tellerrand schauen wollten und an einem Wertesystem und Lebensstil festhielten, der sein Leben in Zukunft unmöglich macht.

Viele Jahre haben wir gelebt wie die Made im Speck. Ohne an die Konsequenzen zu denken.

Entschuldige, kleiner Jakob, wir haben den Untergangsgrusel jahrzehntelang verdrängt und weggedrückt und unsere Wunden mit Waren zugekleistert, weil wir glaubten, unser Ansehen und Respekt würde aus dem Haben gespeist. Wir waren Räuber auf Beutezug, die über das ganz Know how das Know why aus den Augen verloren. Verzeih, kleiner Jakob, die Nabelschau der selbstverliebten Menschen um dich herum hat ein Prüfen der Werte und Mäßigung verhindert.

 Nach dem großen Fressen kam keine Moral. Aber tröste dich, kleiner Jakob, es ist nicht trauriger, wenn wir alle zugleich sterben, als wenn wir alle nacheinander sterben …

Ist es wirklich das, was ich Jakob sagen möchte? 

Nein, morgen möchte ich ihm eine andere Geschichte erzählen können.

Das Wunder

Morgen will ich ihm sagen, dass mein Blick auf ihn mein Bewusstsein gewandelt hat.

Dass die Krise, die wir durchleben, nötig ist, um die Not zu wenden.

Morgen will ich hoffnungsfroh verkünden, dass meine Tränen der Schöpfung eine Chance geben.


„Glücklich der, der seinen Schmerz fühlt, denn er zeigt an, dass ihm etwas fehlt.“ Erich Fromm


Von hier aus also spüren wir erst, dass uns etwas fehlt. An diesem Punkt können wir verstehen, dass alte Normen, Traditionen und Denkmuster nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. 

Hier erst wird uns bewusst, dass unsere Werte uns nicht an das gewünschte Ziel befördert haben. Wir werden neue Wege gehen, weil wir spüren, dass es so nicht mehr weitergehen kann. So wir unser Herz öffnen!


Wir können unser Bewusstsein verändern und die Krise überstehen – wenn wir unsere Herzen öffnen


Lieber, kleiner Jakob, wir haben uns verirrt und geirrt. Es war kurz vor knapp, aber wir haben das Ruder rumgerissen.

 Durch dich sind Blick und Herz weit geöffnet worden. Wir sind nun mutig genug, unser altes Handwerkszeug über Bord zu werfen und ins kalte Wasser zu springen. 

Für dich.

„Es zeugt nicht von geistiger Gesundheit an eine von Grund auf kranke Gesellschaft gut angepasst zu sein.“ Krishnamurti

Durch dich ist mir das einmal mehr bewusst geworden.

Das Leben neu denken

Deshalb werde ich jetzt Leben neu denken, um den Sinn zurückerobern, der in dem allgegenwärtigen Konsumspektakel abhanden gekommen ist. Ich werde Sinn und Geschmack daran finden, neuen Dingen Sinn zu geben. Und neue Fragen zu stellen:

  • Unter welchen Umständen wachsen meiner Fantasie Flügel?
  • Wie finde ich Ruhe, Kraft und Zeit für Ruhe, Kraft und Zeit?
  • In welchem Milieu gestalte ich kreativ – statt das Leben zu verzwecken und zu funktionalisieren? 
  • Wobei empfinde ich spielerische Freude?
  • Wann spüre ich, dass weniger mehr ist?
  • Spezialfrage für unglückliche Materialisten: Wie kann ich meine Defizite heilsamer ausgleichen?
  • Wo empfinde ich freiwilligen Verzicht als Geschenk?
  • Wie stärke ich das Mit- und Füreinander in meiner Welt?
  • Was braucht es, damit Bewusstseinswandel zum strömenden Fluss wird?
  • Wann standen meine Werte das letzte Mal auf dem Prüfstand?
  • Wofür macht es Sinn, sich einzusetzen?
  • Wofür setzt du dich ein, damit es für Jakob gut weitergehen kann? Und was glaubst du, wird nötig sein, damit Jakob sich seinen ganz eigenen Himmel erbauen kann?

Ich freu mich sehr auf eure Gedanken dazu!

Von Herzen,

eure Beate